Suchtmittel
Cannabis
Teillegalisierung von Cannabis - Kein Frei-Fahrschein für Kiffer auf der Straße!
Neben Alkohol und Nikotin ist Cannabis die am häufigsten konsumierte Droge weltweit. Der Wirkstoff von Cannabis (lateinisches Wort für Hanf), auch unter den Begriffen Marihuana/Gras (getrocknete Blütenblätter der weiblichen Hanfpflanze) oder Haschisch (gepresstes Harz der Hanfpflanze) bekannt, ist das Tetrahydrocannabinol (THC). Die Wirkung dieses Stoffes ist sehr individuell und unterschiedlich in der Ausprägung. Cannabis kann nicht nur geraucht oder gedampft, sondern auch gegessen werden.
Die Wirkung von THC auf den Körper
THC ist ein psychoaktiver Stoff. Die Cannabinoide des THC wirken auf einen bestimmten Teil unseres Nervensystems und beeinflussen dadurch unsere Gedanken, unsere Wahrnehmung, unser Handeln und unsere Gefühle. Dies kann dazu führen, dass man sich entspannt fühlt und die Umwelt intensiver wahrnimmt. Ferner kann die Wirkung von Cannabis auch das Schmerzempfinden verändern.
Es kann aber auch negative Nebenwirkungen hervorrufen, wie zum Beispiel Ängste, Halluzinationen, Übelkeit und Schwindel.
Ebenso können Konzentrationsprobleme und verminderte Aufmerksamkeit auftreten.
Die Art der Wirkung hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie zum Beispiel die aktuelle Stimmung / Situation des Konsumenten oder der Konsumentin, oder welche Menge in welcher Form Cannabis konsumiert wird. So tritt beispielsweise beim Konsum von Hanfkeksen die Wirkung später ein als beim Rauchen. Dadurch konsumiert mein beim Verzehr häufig mehr und es kommt am Ende dann zu einer höheren Dosierung.
Auswirkungen auf die Fahrtüchtigkeit
Die Wirkungsweisen des Cannabis führen zur Verlangsamung der Reaktionen und Verlängerung der Reaktionszeiten. Ebenso schränkt der Konsum von Cannabis die Konzentration und Aufmerksamkeit stark ein, begleitend von steigender Mündigkeit.
Diese Faktoren sind im Straßenverkehr höchst gefährlich und führen zu einem erhöhten Unfallrisiko!
So wie die Auswirkungen von Cannabiskonsum unterschiedlich und individuell sind ist auch der Abbau von THC im Körper von vielen Faktoren abhängig. So spielen zum Beispiel das Konsumverhalten, also gelegentlicher oder regelmäßiger Konsum, die Menge und die THC-Konzentration eine entscheidende Rolle. Gerade die THC-Konzentration ist grundsätzlich schwer einzuschätzen.
Anders als beim Abbau von Alkohol im Körper baut sich THC nicht linear ab. Eine zuverlässige Berechnung für einen THC-Wert ist deshalb nicht möglich.
Die Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsychologie (DGVP) und die Deutsche Gesellschaft für Verkehrsmedizin (DGVM) haben anlässlich der Teillegalisierung von Cannabis und der Festlegung eines THC-Grenzwertes beim Führen von Fahrzeugen eine “Empfehlung einer Wartezeit nach Konsum von Cannabis vor Verkehrsteilnahme” vom Mai 2024 veröffentlicht:
Rechtslage THC im Straßenverkehr
Im Rahmen der Teillegalisierung von Cannabis, bei der durch das Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetzes (KCanG) zum 01.04.2024 der Besitz, Konsum und Anbau von Cannabis unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt ist, mussten die Vorschriften für das Fahren unter Cannabiseinwirkung ebenfalls neu geregelt werden.
Am 22.08.2024 traten die neuen Regelungen, insbesondere die Festlegung eines THC-Grenzwertes im Straßenverkehrsgesetz (StVG), in Kraft.
Demnach gelten nun folgende Regelungen im Zusammenhang mit Cannabis im Straßenverkehr:
- Ordnungswidrigkeiten:
- Cannabis wurde aus der Liste der verbotenen berauschenden Mittel und Substanzen in der Anlage 1 zum StVG gestrichen
- Fahranfänger/-innen: § 24c (1) StVG → zum Gesetzestext
- absolutes Cannabisverbot (analytischer Nachweisgrenzwert: 1 ng/ml THC/Blutserum)
- bei Verstoß:
- Ordnungswidrigkeit i.S.v. § 24c (1) StVG
- 250 € Bußgeld
- 1 Punkt im Fahreignungsregister (Flensburg)
- Verlängerung der Probezeit um weitere zwei Jahre
- Teilnahme an einem Aufbauseminar
- alle Kfz-Führer/-innen: § 24a (1a) StVG → zum Gesetzestext
- Grenzwert THC: 3,5 ng/ml (ohne konsumbedingte Ausfallserscheinungen)
- bei Verstoß:
- Ordnungswidrigkeit i.S.v. § 24a (1a) StVG
- 1. Verstoß:
- 500 € Bußgeld
- 2 Punkte im Fahreignungsregister
- 1 Monat Fahrverbot
- unter Umständen Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (MPU)
- 2. Verstoß:
- 1.000 € Bußgeld
- 2 Punkte im Fahreignungsregister
- 3 Monate Fahrverbot
- unter Umständen Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (MPU)
- bei weiteren Verstößen:
- 1.500 € Bußgeld
- 2 Punkte im Fahreignungsregister
- 3 Monate Fahrverbot
- unter Umständen Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (MPU)
- Mischkonsum Alkohol und Cannabis: § 24a (2a) StVG → zum Gesetzestext
- Verbot für alle Kfz-Führer/-innen: 3,5 ng/ml THC/Blutserum und mehr + Alkoholkonsum
- bei Verstoß:
- Ordnungswidrigkeit i.S.v. § 24a (2a) StVG
- 1.000 € Bußgeld
- 2 Punkte im Fahreignungsregister
- 1 Monat Fahrverbot
- Straftaten:
Kraftfahrzeug- und Fahrzeugführenden, darunter fallen auch Fahrradfahrende, bei denen nach Cannabiskonsum konsumbedingte Ausfallserscheinungen festgestellt werden, wie Schlangenlinienfahren, Müdigkeit, verzögertes Reaktionsvermögen, Wahrnehmungsprobleme, begehen eine Straftat i.S.v. § 316 StGB ("Trunkenheit im Verkehr"). Bei zusätzlichem Vorliegen einer konkreten Gefährdung anderer oder fremde Sachen von bedeutendem Wert, beispielsweise bei einem Verkehrsunfall, wird der Tatbestand der Straßenverkehrsgefährdung nach § 315c (1) Nr. 1 StGB erfüllt.
Die rechtlichen Folgen sind in der Regel eine Geldstrafe, eine Entziehung der Fahrerlaubnis für mindestens 6 Monate, 3 Punkte im Fahreignungsregister sowie die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (MPU).
THC als Medikament (§ 24a (4) und § 24c (3) StVG)
Die sogenannte “Medikamentenklausel” wurde bei der Neufassung des § 24a StVG von Absatz 2 in den jetzt neu gefassten Absatz 4 überführt.
Demnach sind die Tatbestände aus § 24a (1a), (2) Satz 1 und (2a) StVG nicht anzuwenden, wenn eine dort oder in der Anlage zu dieser Vorschrift (Anlage 1) genannte Substanz aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt.
Dieselbe Ausnahme wurde nun auch für die Vorschrift für Fahranfänger/-innen in § 24c (3) StVG übernommen:
“(3) Absatz 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Substanz Tetrahydrocannabinol aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt.”
Zum Unterschied zwischen “bestimmungsgemäßer Einnahme eines verschriebenen Arzneimittels” und “Konsum einer Droge” hier ein Zitat aus dem Urteil des OLG Koblenz, Beschluss vom 13.04.2022 - 3 OWi 31 SsBs 49/22:
“Der Unterschied zwischen bestimmungsgemäß eingenommenen Medikamenten und Drogen liegt in der unterschiedlichen Wirkung der Substanzen als Therapeutikum bei der Einnahme nach ärztlicher Verordnung und bei missbräuchlichem Konsum. Während ein Drogenkonsument eine Substanz zu sich nimmt, um berauscht zu sein, nimmt ein Patient eine Substanz zu sich um seine Leiden zu lindern (BT-Drucks 17/9868 v. 05.06.2012). Bei bestimmungsgemäßer Einnahme fahren die ein Medikament einnehmenden Patienten gerade nicht in einem berauschten Zustand. Erst durch die Einnahme des Arzneimittels sind sie überhaupt in der Lage, sicher am Straßenverkehr teilzunehmen (Rebel, ZfSch 2020, 133ff - juris; Maatz in Blutalkohol 1999, S. 36ff.). Da die Dosis jeweils individuell ist, gibt es auch keine Grenzwerte für die Einnahme von Medikamenten. Stattdessen gilt der Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit. Danach muss ein Kraftfahrer ärztliche Anweisungen befolgen und die Gebrauchsanweisung des eingenommenen Medikaments beachten. Hält sich ein Kraftfahrer an diese Vorgaben, begeht er nach § 24a Abs. 2 Satz 2 StVG auch keine Ordnungswidrigkeit, da die Substanz dann aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt (BayVGH, Beschl. 11 B 18.2482 v. 29.04.2019 - juris).”
Hier geht es zum Text des gesamten OLG-Urteils
In diesem Urteil hebt das Gericht explizit auch die Eigenverantwortlichkeit des Patienten hervor, sich an die die ärztlichen Anweisungen und die Gebrauchsanweisung des Medikamentes zu halten. Und letztendlich liegt die Entscheidung, ob man in der Lage ist am Verkehr teilzunehmen, beim Fahrzeugführer/-in selbst.
Die sogenannte “Medikamentenklausel” ist nur bei Ordnungswidrigkeiten anwendbar. Das heißt, werden bei Fahrzeugführenden, welche nach bestimmungsgemäßer Einnahme eines verschriebenen THC-haltigen Arzneimittels konsumbedingte Ausfallserscheinungen festgestellt, liegt eine Straftat im Sinne des § 316 StGB (siehe oben) vor und die “Medikamentenklausel” findet hier keine Anwendung.